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Die Erwerbsmuster von Paaren in der Pandemie – wenig Hinweise auf eine Retraditionalisierung

von Nadia Steiber und Monika Mlynek

Die Maßnahmen zur Eindämmung der COVID-19 Pandemie hatten zu Beginn der Krise verheerende Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt. Die Zahl der Arbeitslosen erreichte im April 2020 das höchste Niveau seit 1945. Ohne das Instrument der Kurzarbeit wäre der Anstieg der Arbeitslosenzahlen drastischer und nachhaltiger ausgefallen. Im Laufe des Jahres 2020 war rund jede*r dritte unselbständig Erwerbstätige in Kurzarbeit; die weit überwiegende Mehrheit der Kurzarbeiter*innen kehrte jedoch im Jahresverlauf wieder in die reguläre Erwerbstätigkeit zurück. Es wurde vielfach vermutet, dass die Verwerfungen am Arbeitsmarkt Frauen und insb. Mütter stärker trafen als Männer. Der Wegfall institutioneller und auch privater Kinderbetreuung sowie die Schulschließungen waren weitere Faktoren, die befürchten ließen, dass sich die Rollen der Geschlechter im Zuge der Pandemie weiter traditionalisieren bzw. dass v.a. Mütter ihre zeitliche Balance zwischen unbezahlter Care-Arbeit und Erwerbsarbeit weiter zugunsten der unbezahlten Reproduktionsarbeit verschieben werden. Wie die Analyse von Registerdaten zeigte, trafen die Verwerfungen am Arbeitsmarkt in Bezug auf Jobverlust und Kurzarbeit Männer jedoch ähnlich stark wie Frauen. Auch waren Mütter betreuungspflichtiger Kinder nicht stärker von Jobverlust oder Kurzarbeit betroffen als andere Frauen. Allerdings gab es Hinweise darauf, dass ein Teil der Mütter nach Rückkehr aus der Kurzarbeit im Laufe des Jahres 2020 ihre Stunden reduzierten und damit die Teilzeitquote unter Müttern weiter anstieg (Steiber et al. 2022, S. 205). Auch konnte gezeigt werden, dass Mütter von Kindern unter 14 Jahren in Zeiten der Schulschließungen — nicht nur zu Beginn der Krise — sondern auch im zweiten Halbjahr 2020 ihre Arbeitsstunden häufiger reduzierten als Väter.

Angesichts dieser Entwicklungen wurden im Rahmen des AKCOVID-Projekts unter anderem die Auswirkungen der Krise auf die Erwerbsmuster in Paarhaushalten untersucht. Die bisherige Forschung zu diesem Thema zeigt sowohl für Italien, als auch für die Vereinigten Staaten und Großbritannien eine pandemiebedingte Zunahme der Anteile von Haushalten ohne aktives Erwerbseinkommen und von Haushalten, in denen überwiegend oder nur die Frau erwerbstätig ist (weibliches Ernährermodell) sowie umgekehrt eine Abnahme des Anteils dualer Beschäftigungsmodelle in Paarhaushalten.

In der für Österreich repräsentativen AKCOVID-Panelbefragung wurde die Erwerbssituation in Privathaushalten zu drei Zeitpunkten erhoben. Im Juni 2020 wurden Respondent*innen nach ihrer beruflichen Situation gefragt — zu ihrer aktuellen Situation im Vergleich zu ihrer Situation kurz vor Beginn der Pandemie (retrospektiv für Februar 2020). Zum Zeitpunkt dieser Ersterhebung war der Anteil der Personen in Kurzarbeit immer noch relativ hoch (rund 16% der Männer und 15% der Frauen, die im Februar 2020 unselbständig erwerbstätig waren), während 4% der ehemals unselbständig Erwerbstätigen ihren Job verloren haben (cf. Auswertungen Registerdaten). Bis zur zweiten Befragung im Jänner 2021 ging der Anteil der Beschäftigten in Kurzarbeit stark zurück (auf weniger als 10% der unselbständig Erwerbstätigen des Februar 2020), während der Anteil arbeitsloser Menschen stabil blieb. Angesichts dieser Entwicklungen und insb. der weiten Inanspruchnahme von Kurzarbeit könnte man erwarten, dass es im Vergleich zwischen Februar und Juni 2020 zu einer (temporär) sinkenden Zahl an Paaren kam, in denen beide Partner*innen Vollzeit erwerbstätig waren (duales Beschäftigungsmodell).

Die Analyse der Befragungsdaten fokussiert auf Paare, die im gemeinsamen Haushalt leben. Wir unterscheiden sechs Erwerbsmodelle auf der Paarebene: Das in Österreich am häufigsten praktizierte ist das modifizierte männliche Ernährermodell, in dem der Mann Vollzeit und die Frau Teilzeit arbeitet (laut AKCOVID-Daten rund 29% der Paare im Februar 2020). Demgegenüber stehen einerseits das in Bezug auf Geschlechterrollen sehr ‚traditionelle‘ männliche Ernährermodell, in dem der Mann Vollzeit arbeitet, während die Frau kein Erwerbseinkommen erzielt (21%), sowie andererseits das ‚moderne‘ duale Ernährermodell, in dem beide Partner*innen Vollzeit arbeiten (24%) bzw. das duale Teilzeitmodell  (4%). Weiters wurden noch das weibliche Ernährermodell (Rollentausch), in denen die Frau meist Vollzeit arbeitet, während der Mann Teilzeit arbeitet oder nicht erwerbstätig ist (10%) sowie erwerbsferne Paare, die nicht über eine geringfügige Beschäftigung hinausgehend erwerbstätig sind (rund 12%), definiert. Der Teilzeitstatus beruht dabei auf einer Selbsteinschätzung der Befragten. Personen in Kurzarbeit werden zu den Teilzeitarbeitskräften gezählt.

Entwicklung der Erwerbsmuster von Paaren im Zeitverlauf

In Übereinstimmung mit der Befundlage aus Italien und Großbritannien ging der Anteil des ‚modernen‘ dualen Ernährermodells in der Pandemie etwas zurück: von knapp einem Viertel der Paare im Februar 2020 auf rund 17% im Juni 2020 bzw. 19% im Jänner 2021. Der Anteil der erwerbsfernen Paare stieg hierzulande jedoch nur sehr leicht – von 12% im Februar 2020 auf 14% in der Pandemie. Dagegen war eine deutliche Zunahme von Paaren mit zwei Teilzeitbeschäftigten (zu welchen auch Personen in Kurzarbeit zählen) zu verzeichnen (Anstieg von 4% im Februar 2020 auf 10% im Juni 2020 und dann wiederum ein Absinken auf rund 6% bis Jänner 2021). Der Anteil der (modifizierten) männlichen Ernährer blieb relativ konstant (mit rund 50% der Paare), während es durchaus im Einklang mit der internationalen Datenlage[1] auch in Österreich zu einem leichten Anstieg des Anteils weiblicher Ernährerinnen kam (von 10% im Februar 2020 auf 13% im Jänner 2021).

Ähnliche Entwicklung bei Präsenz von Kindern im gemeinsamen Haushalt

Paare mit schulpflichtigen Kindern im Alter von unter 15 Jahren weisen einen im Vergleich zur Gesamtstichprobe höheren Anteil männlicher Ernährer sowie einen geringeren Anteil weiblicher Ernährerinnen auf. Die Entwicklung des Anteils dieser Erwerbsmuster verlief jedoch weitgehend parallel: der Anteil der Paare mit zwei Vollzeitbeschäftigten nahm um rund fünf Prozentpunkte ab (von 19% im Februar 2020 auf 14% im Jänner 2021), während der Anteil des dualen Teilzeitmodells temporär um rund fünf Prozentpunkte zulegte. Der Anteil erwerbsferner Paare erhöhte sich nicht.

Veränderung des relativen Einkommens in Paaren

Im Einklang mit unseren Befunden, die auf eine weitgehende Stabilität der Erwerbsmuster in Paaren deuten und vor dem Hintergrund der hohen Lohnersatzrate in Kurzarbeit, liefert auch die Analyse relativer Einkommen von Männern und Frauen in Paarhaushalten keine Hinweise auf eine Retraditionalisierung. Haben im Februar 2020 rund 28% der Frauen in etwa gleich viel verdient wie ihre Partner, so beläuft sich dieser Anteil im Jänner 2021 auf 26%. Umgekehrt erhöhte sich der Anteil der Paare, in denen die Frau weniger verdiente als der Mann nur marginal. Bei der Subgruppe der Paare mit Kindern im Alter von unter 15 Jahren war die Stabilität der relativen Einkommensmuster ähnlich: Haben im Februar 2020 rund 22% der Mütter in etwa gleich viel verdient wie ihre Partner, so belief sich dieser Anteil im Jänner 2021 auf 23%.

Fazit

Die Analysen der Daten aus der AKCOVID-Panelbefragung bestätigten die Befundlage aus den Registerdaten. Es kommt im Zuge der COVID-19 Krise weder in der Gesamtstichprobe der Paare noch bei Paaren mit Kindern im Alter von unter 15 Jahren zu einer Erhöhung der Anteile ‚traditioneller‘ männlicher Ernährermodelle und damit zu einer Retraditionalisierung der geschlechtsspezifischen Erwerbsintegration. Die vergleichsweise größte – wenn auch substantiell nicht sehr starke – strukturelle Veränderung im Bereich der Erwerbsmuster in Paarhaushalten bezieht sich auf die sinkende Zahl der Paare, in denen beide Partner*innen Vollzeit erwerbstätig waren — v.a. zugunsten von Paaren, die (temporär oder teilweise längerfristig) beide in Teilzeit/Kurzarbeit waren sowie zu einem kleineren Teil auch zugunsten des Anteils weiblicher Ernährermodelle (eher bei Paaren ohne Kinder) sowie von erwerbsfernen Haushalten (auch eher bei Paaren ohne Kinder).

Zusammenfassend lässt sich in Österreich für die Pandemie v.a. eine große Stabilität der Erwerbsmuster in Paaren konstatieren. Der Anstieg der Anteile dualer Teilzeitmodelle ist eng mit Kurzarbeit verknüpft und damit weitestgehend als temporärer Trend einzustufen. Auch ist die leicht wachsende Bedeutung weiblicher Ernährerinnen nicht einer Modernisierung der Geschlechterrollen in der Pandemie zuzuschreiben, sondern dem unfreiwilligen Verlust von Jobs aufseiten der Männer. Mit Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit einhergehende Einkommensverluste bedingten in der Pandemie eine deutliche Zunahme des Anteils von Paarhaushalten in finanziellen Schwierigkeiten (Steiber et al. 2021), laut der hier präsentierten AKCOVID-Daten jedoch nicht eine Verschiebung der relativen Einkommen von Frauen und Männern innerhalb von Paaren.

 

Fußnote

[1] In der Tat finden sich auch in den Studien aus Italien und Großbritannien nur relativ kleine Veränderungen in den Anteilen der unterschiedlichen Modelle. So stieg der Anteil der Haushalte ohne aktives Erwerbseinkommen in Italien von 9% im 2. Quartal 2019 auf etwa 20% im gleichen Quartal im Jahr 2020, wobei sich dieser Anteil bis Jahresende fast wieder auf das Vorjahresniveau reduzierte. In Bezug auf die anderen Erwerbsmodelle wurde auch in Italien keine über fünf Prozentpunkte hinausgehende Veränderung registriert. In Großbritannien stieg der Anteil von Paaren ohne aktives Erwerbseinkommen im Vergleich von Februar (3%) mit April/Mai 2020 (15%) um rund 12 Prozentpunkte, während auch die Anteile der weiblichen (plus 10 Prozentpunkte) sowie der rein männlichen Ernährer*innen (plus 8 Prozentpunkte) anstiegen. Umgekehrt sanken die Anteile der dualen Ernährermodelle (beide Vollzeit oder beide Teilzeit) sowie der modifiziert männlichen Ernährermodelle um rund 15 Prozentpunkte.