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SOPRO

Social Progress

Mit dem Konzept des sozialen Fortschritts (eng. Social Progress, SOPRO) können wir gesellschaftlichen Wandel systematisch analysisieren und einordnen:

Inwieweit stellen Entwicklungen im Zeitverlauf Anzeichen eines sozialen Fortschritts oder sozialen Rückschritts dar?

Sozialer Fortschritt geht über das Bruttoinlandsprodukt als Maß gesellschaftlichen Wohlstands hinaus. Es werden unterschiedliche Dimensionen (Werte) miteinbezogen und dabei auch Fragen nach Gerechtigkeit und sozialer Ungleichheit innerhalb der Gesellschaft aufgegriffen. Auf dieser Grundlage können Aussagen darüber getroffen werden, inwieweit gesellschaftliche Entwicklungen im Zeitverlauf einen sozialen Fortschritt oder sozialen Rückschritt darstellen.

Mehr zum International Panel on Social Progress und unserem Verständnis der in diesem Rahmen zentralen Werte finden Sie hier.

SCHWERPUNKTE

Mit dem Konzept sozialen Fortschritts als theoretische Brille präsentieren wir Indikatoren gesellschaftlicher Entwicklungen entlang von verschiedenen Schwerpunktthemen.

SEGREGATION

ZUM SCHWERPUNKT

HINTERGRUND

In Anlehnung an das International Panel on Social Progress (IPSP) orientieren wir uns an den pluralen Werten (Wohlbefinden, Freiheit, Nicht-Entfremdung, Solidarität, Anerkennung, Sicherheit, Umwelt und Kulturgüter) die zur Beantwortung der Frage herangezogen werden sollen, ob in gesellschaftlichen Bereichen ein sozialer Fortschritt oder Rückschritt erzielt werden kann. 

FREIHEIT

Als Kernstück moderner Gesellschaften (Axel Honneth 2011, Das Recht der Freiheit, Berlin) meint Freiheit einerseits, frei von etwas zu sein (= negative Freiheit, z.B. frei von Zwang). Sie bezieht sich andererseits auf den Umstand, frei zu sein, um etwas zu tun (= positive Freiheit, z.B. soziale Mobilität). Freiheit verankert die subjektiven Rechte von Gesellschaftsmitgliedern/Individuen.

WOHLBEFINDEN

Wohlbefinden umfasst eine Reihe an Bereichen von Gesundheit über Lebenszufriedenheit bis zum Zugang zu materiellen Ressourcen. Verstanden als Verwirklichungschancen, sogenannten capabilities (Martha Nussbaum, Amartya Sen (eds.) 1993, The Quality of Life, Oxford) sind sie die Voraussetzungen für reale Möglichkeiten von Menschen, wie zum Beispiel ein langes Leben erreichen zu können (functionings). Verwirklichungschancen ergänzen objektive Faktoren um die individuell unterschiedlichen Voraussetzungen, diese Möglichkeiten realisieren zu können.

NICHT-ENTFREMDUNG

Bei Nicht-Entfremdung geht es um eine spezifische Beziehung der Menschen/Individuen zu ihrer Umwelt. Diese Umwelt wird als anteilnehmend und vertraut erfahren und bietet Identifikationsmöglichkeiten (Rahel Jaeggi 2014, Alienation, New York). Die Menschen bewegen sich dabei selbstbestimmt in ihrer Umwelt. Pierre Bourdieu bringt Nicht-Entfremdung mit der Metapher „wie ein Fisch im Wasser“ auf den Punkt (Pierre Bourdieu, Loïc Wacquant 1996, Reflexive Anthropologie, Frankfurt/Main).

SOLIDARITÄT

Als soziale Kooperation zur Erreichung geteilter Ziele geht es bei Solidarität weder um eine Zweckbeziehung, um Eigeninteressen zu verwirklichen, noch um Mitleid. Solidarisch ist eine Kooperation dann, wenn die Beteiligten auf Augenhöhe miteinander umgehen und die Kooperation selbst als schützenswertes Gut betrachtet wird. Neben dem Sozialstaat als institutionalisierter Solidarität spielt die Zivilgesellschaft hier eine zentrale Rolle (Bude Heinz 2019, Solidarität. Die Zukunft einer großen Idee, München).

ANERKENNUNG

Wie werden die Beiträge der Gesellschaftsmitglieder/Individuen gesellschaftlich bewertet? Welche soziale Anerkennung erhalten sie für ihre Fähigkeiten und Lebensweisen? (Axel Honneth 2001, Recognition or Redistribution? Theory, Culture & Society, 18 (2-3), 43-55.) Anerkennung geht über die bloße Wertschätzung des Gegenüber hinaus: Dieses Gegenüber wird darüber hinaus so wahrgenommen, dass es auf derselben moralischen Ebene steht und als Interaktionspartner denselben Status hat.

SICHERHEIT

Sicherheit wird im IPSP als Gegenteil von Verletzlichkeit/vulnerability gesehen. Unter Sicherheit wird dabei der gesicherte Zugang zu Gütern und capabilities verstanden – das ist mehr als die Erhöhung der Chancen, ein Gut zu genießen (Richardson et al., 2018, 56f).

UMWELT

Die natürliche Umwelt – wie nicht-menschliche Lebewesen und Ökosysteme – besitzt einen Wert an sich. Den Planeten ökologisch intakt zu bewahren ist daher mehr als ein Mittel zum Zweck des menschlichen Wohlergehens. Sozialen Fortschritt von der Umwelt zu isolieren ist nicht möglich. Fortschritt kann im Anthropozän, dem Zeitalter, in dem der Mensch die größte Kraft der Umweltveränderung darstellt, nicht anders als nachhaltig gedacht werden (Richardson et al, 40-42).

KULTURGÜTER

Sozialer Fortschritt bezieht sich nicht nur auf die Leistungen der aktuell lebenden Menschen, sondern auch auf das Wissen, die Ideen, das kreative Schaffen und die Kunstwerke vergangener Generationen. Gebaute, geschriebene und gesammelte Monumente der Weltkultur sind es wert, geschützt und um ihrer selbst willen geschätzt zu werden. (Richardson et al., 39-40)

GERECHTIGKEIT

Quer zu diesen Werten liegt als Prinzip die Gerechtigkeit (IPSP: Richardson et al 2018, 57-62). Dabei geht es um die Frage, wie gleich oder ungleich diese Werte realisiert sind oder realisiert werden, wenn sie steigen oder sinken: Gibt es Fortschritte für alle oder ist eine Polarisierung der Gesellschaft zu beobachten? Mit dieser Fragestellung wird die Frage nach Ungleichheit in Bezug auf eine gerechte Verteilung gestellt, während Gerechtigkeit darüber hinaus weitere Facetten aufweist, wie etwa Grundrechte, die jeder Mensch genießt (wie die Menschenrechte).

Hinweise auf eine sozial fortschrittliche Entwicklung finden wir dann, wenn die Werte insgesamt steigen (utilitaristische Sicht) und wenn die sozialen Unterschiede dabei so gering wie möglich sind (egalitaristische Sicht).