COVID-19 und Bildung
Was tun, damit aus der Gesundheits- keine Bildungskrise wird?
Projektleiter: Mario Steiner
Projektteam: Maria Köpping, Andrea Leitner, Gabriele Pessl
Gefördert von:
Die Schulschließungen im Frühjahr 2020 bedeuteten für Schulleitungen, Lehrkräfte, SchülerInnen und Eltern einen Ausnahmezustand. Österreichs Schulen waren gefordert, ihren Unterricht binnen kürzester Zeit auf Distance Learning umzustellen. Eine wesentliche Herausforderung bestand darin, SchülerInnen mit nachteiligen Voraussetzungen für das Lernen zuhause zu erreichen und zu unterstützen, um verstärkte Kompetenzverluste in dieser Gruppe zu vermeiden. Denn in einer Situation, in der die Lernerfolge der SchülerInnen mehr denn je von der Ressourcenausstattung und der Unterstützung im privaten Umfeld abhängen, steigt das Risiko der sozialen Selektivität der Bildungsergebnisse.
Unsere vom WWTF geförderte Studie nimmt die mit den COVID-bedingten Schulschließungen einhergehende Privatisierung der Lernleistung zum Ausgangspunkt, um Strategien zur Förderung benachteiligter SchülerInnen zu analysieren:
- Wie wirkt sich das COVID-bedingte Distance Learning auf bekannte Benachteiligungsstrukturen im Bildungssystem aus?
- Welche Gelingensbedingungen und Resilienzfaktoren helfen dabei, der zu erwartenden Verschärfung sozialer Ungleichheit entgegenzuwirken?
Ziel der Studie ist es, die Lehr- und Lernleistungen während der krisenbedingten Schulschließungen aus unterschiedlichen Perspektiven zu beleuchten, um Lernpotenziale aufzuzeigen und Handlungsempfehlungen für die Zukunft abzuleiten. Im Fokus steht dabei die Frage, wie es – selbst mit geringen Vorerfahrungen und unter widrigen Rahmenbedingungen – gelingen kann, Benachteiligungen entgegenzuwirken und Kompetenzverluste zu vermeiden. Dafür setzen wir auf ein mehrstufiges Erhebungsverfahren mit qualitativen und quantitativen Befragungselementen, in denen sowohl Lehrpersonen als auch SchülerInnen und deren Familien zu Wort kommen. Der Schwerpunkt liegt auf der Sekundarstufe I (NMS und AHS-Unterstufe) und auf dem Raum Wien.
Erste Zwischenergebnisse der Studie zeigen: Die Sorge um einen Kompetenzabfall während der Schulschließungen ist gerade im Hinblick auf ohnehin benachteiligte SchülerInnen groß. Es sind aber auch positive Überraschungen durch SchülerInnen erkennbar, die die Erwartungen ihrer Lehrpersonen in dieser schwierigen Situation übertroffen haben. In der Phase des Distance Learnings wurden vielfältige Strategien entwickelt, um den Unterricht inhaltlich wie auch methodisch an die Bedürfnisse Benachteiligter anzupassen und die SchülerInnen dieser Gruppe individuell anzusprechen.
Ergebnisse und den Abschlussbericht der Studie finden Sie hier.
Den Anfang bildeten explorative telefonische Gespräche mit LehrerInnen und Eltern, mithilfe derer im April 2020 ein erster Überblick über die Situation des Lernens zu Hause gewonnen wurde.
Darauf folgte eine flächendeckende quantitative Online-Erhebung, an der sich im Mai 2020 über 4000 LehrerInnen (z.B. 7% aller NMS-LehrerInnen in Österreich) beteiligten. Mit dieser umfangreichen Befragung wurde eine breite Datenbasis geschaffen, die Einblicke in verschiedene Aspekte des Distance Learnings aus der Sicht der Lehrkräfte gewährt – dazu zählen:
● die Situation der SchülerInnen und der Lehrkräfte während der Schulschließungen
● die vielfältigen Vorgehensweisen bei der Unterrichtsgestaltung mithilfe unterschiedlicher Lernplattformen, digitaler Medien und Kommunikationskanäle
● die wahrgenommenen Konsequenzen des Distance Learnings für die Kompetenzen der SchülerInnen und Ungleichheiten bei den Bildungsergebnissen
Um die Unterrichtsstrategien im Detail zu beleuchten und Ansätze zur Erreichung, Unterstützung und Motivation benachteiligter SchülerInnen zu reflektieren, wurden im Sommer 2020 14 vertiefende persönliche Interviews mit Lehrkräften der Neuen Mittelschule und der AHS-Unterstufe geführt. So konnte ein besseres Verständnis für die im Distance Learning verfolgten pädagogisch-didaktischen Zielsetzungen sowie auch deren Auswirkungen auf das Rollenverständnis der Lehrpersonen und die Chancen benachteiligter SchülerInnen entwickelt werden. Als letzter Erhebungsschritt sind im Winter 2020/21 Interviews mit SchülerInnen und deren Eltern vorgesehen. Dabei wird der Frage nachgegangen, wie Familien das Lernen zuhause erlebt und welche Erfahrungen sie in diesem Zeitraum gemacht haben.
Ergebnisse
Arbeitspapiere und Forschungsartikel
- Kocher, M. & Steiner, M. (2020): Kosten von Schulschließung zur Pandemiebekämpfung. IHS Policy Brief.
Blogbeiträge
- Steiner, M.; Köpping, M.; Leitner, A. & Pessl, G. (2020): Covid-19, Distance-Schooling und soziale Ungleichheit. in_progress Blog.
Konferenzbeiträge und Präsentationen
- Steiner, M.; Köpping, M.; Leitner, A. & Pessl, G. (2021): Lehren und Lernen unter Pandemiebedingungen: Was tun, damit aus der Gesundheits- nicht auch eine Bildungskrise wird?
- Steiner, M. (2020): Wird aus der Gesundheits- eine Bildungskrise?
- Steiner, M. (2020): WWTF Online-Vortragsreihe „Wien erforscht Corona“: Bildung und Schule.
- Steiner, M. (2020): COVID-19 und Home Schooling: Folgt aus der Gesundheits- nun auch eine Bildungskrise? World Education Leadership Symposium.
Medien
- Wiener Zeitung: Beeinträchtigte Schullaufbahnen und Berufschancen [Oktober 2021]
- APA-Science: Corona-Studie legt „gravierende Folgen“ für Bildungslaufbahnen nahe [Juli 2021]
- Wiener Zeitung: Die Strapazen von Lernen und Arbeiten daheim [Jänner 2021]
- Salzburger Nachrichten: Was kommt nach der großen Pause? [Jänner 2020]
- APA-Science: Bildungsexperten und Eltern für offene Schulen [November 2020]
- Der Standard: Enorme Verluste durch kompletten Schullockdown und breite Front gegen Totalsperre [November 2020]
- Der Standard: Corona-Krise lässt benachteiligte Schüler weiter zurückfallen – Studienleiter Mario Steiner im Interview [Mai 2020]
- APA-Science: IHS-Studie: Benachteiligte Schüler durch Fernunterricht abgehängt [September 2020]