Autorin: Isabella Juen
Bildungs- oder Ausbildungsabschlüsse sind in der heutigen Zeit wichtige Voraussetzungen, um den zunehmenden Qualifizierungsanforderungen der Wirtschaft zu entsprechen. So ist erwiesen, dass Personen ohne Abschluss, welcher über die Pflichtschule hinausgeht, weit häufiger dem Risiko von Arbeitslosigkeit ausgesetzt sind als jene mit höheren (Aus-)Bildungsabschlüssen. Insbesondere die derzeitige Corona-Krise betrifft unterschiedlich ausgebildete ArbeitnehmerInnen ungleich stark.
Im August 2020 war der Anteil der Personen, die maximal über einen Pflichtschulabschluss verfügen – gemessen an der Gesamtzahl von arbeitslosen Personen – mit 160.502 hoch. Das entspricht einem Anteil von 43,2%. [1] Zudem verweisen die Ergebnisse des Austrian Corona Panels darauf, dass ArbeitnehmerInnen mit Pflichtschulabschluss am stärksten, seit Beginn der Krise, von Kündigungen und Kurzarbeiten betroffen waren [2]. Vor diesem Hintergrund und der Bedeutung, welcher höhere (Aus-)Bildungsabschlüsse – auch insbesondere in der derzeitigen Zeit – zukommen untersucht dieser Beitrag den frühen Bildungsabbruch in Österreich.
Ausbildungspflicht für Jugendliche bis 18
Jugendarbeitslosigkeit gilt seit vielen Jahren als Herausforderung in vielen Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Gerade auch nach der Finanzkrise im Jahr 2008 hat sich die Situation von vielen Jugendlichen verschlechtert. Im Rahmen der „EU-Strategie 2020“ hat sich die Europäische Union unter anderem dieser Problematik angenommen. Ein Kernziel dieser Strategie ist es, den Anteil der frühzeitigen Schul- und AusbildungsabgängerInnen (im Alter von 18-24 Jahren) im europäischen Mittel auf unter 10% zu senken. Lag der Anteil im Jahr 2008 (EU 27) bei 14,4%, waren im Jahr 2019 10,2% der jungen Erwachsenen frühzeitige Schul- und AusbildungsabgängerInnen. [3] [4]
Mit der Implementierung der AusBildung bis 18 folgte Österreich der Strategie der EU. Die AusBildung bis 18 (AB 18) ist eine Initiative der österreichischen Bundesregierung, die das Ziel verfolgt, Jugendlichen Qualifikationen über den Pflichtschulabschluss hinaus zu ermöglichen und somit dem frühen Ausbildungsabbruch entgegen wirken zu können. Mit 1. August 2016 ist das Ausbildungspflichtgesetz (APFlG) in Kraft getreten. [5]
Im Zuge der Implementierung der AB 18 wurden in allen österreichischen Bundesländern sogenannte regionale Koordinierungsstellen (KOST) und die Bundesweite Koordinierungsstelle (BundesKOST) als österreichische Drehscheibe installiert. Die Koordinierungsstellen dienen als Anlaufstellen für Jugendliche, die Fragen hinsichtlich weiterer (Aus-)Bildungswege und Möglichkeiten haben und Hilfestellungen benötigen. Darüber hinaus vermitteln die Koordinierungsstellen unterschiedliche Angebote, die den Jugendlichen helfen, die Ausbildungspflicht zu erfüllen. Diese Angebote reichen vom Jugendcoaching (Hilfe bei der Berufsorientierung und Bildungsplanung), über Beratungsgespräche beim Arbeitsmarktservice (AMS) hin zum Angebot AusbildungsFit (Erwerb von Basisqualifikationen und Social Skills). [6]
Anteil früher BildungsabbrecherInnen im europäischen Vergleich
Um den Anteil früher BildungsabbrecherInnen in Europa im Detail zu beleuchten, greift dieser Beitrag einerseits auf die Daten der europäischen Statistikbehörde Eurostat zurück. Anderseits wird auf Daten aus einem Bericht des Instituts für Höhere Studien (IHS) verwiesen. Der Indikator „Frühzeitige Schul- und Ausbildungsabgänger nach Geschlecht“ von Eurostat „ist definiert als der Prozentsatz der 18- bis 24-jährigen Bevölkerung, die höchstens einen Bildungsabschluss im Sekundarbereich I haben und die in den vier Wochen vor der Erhebung an keiner Maßnahme der allgemeinen oder beruflichen Bildung teilgenommen haben“ [7].
Im Vergleich mit den 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU 27) liegt Österreich im Jahr 2019 auf Platz 12 mit einem Anteil von 7,8% (EU 27 10,2%). Den höchsten Anteil an Frühzeitigen Schul- und AusbildungsabgängerInnen hat Spanien mit 17,3% zu vermerken. Im Zeitverlauf 2008-2019 zeigen sich in allen EU-Ländern deutliche Rückgänge.
Anteil früher BildungsabbrecherInnen in Österreich
Im Unterschied zu den Daten von Eurostat werden bei folgenden Auswertungen Jugendliche im Alter von 15-24 Jahren, die sich nicht (mehr) in Ausbildung befinden und keinen Abschluss über die Pflichtschule (Sekundarstufe I) aufweisen als der Anteil von frühen BildungsabbrecherInnen (FABA) definiert. Daraus resultierend ergibt sich zwar ein höherer Anteil von FABA, jedoch ist eine Differenzierung nach politischen Bezirken möglich. Die dafür verfügbaren Daten beziehen sich auf das Jahr 2015. [8]
Sieht man sich nun die Zahlen zu Österreich im Detail an, zeigen sich große regionale Unterschiede hinsichtlich des Anteils von frühen BildungsabbrecherInnen. Die Anteile schwanken stark – von 6,0% in Zwettel und Freistadt bis hin zu 24,3% in Wien Favoriten – der österreichweite Durchschnitt liegt bei 12,7%.
Differenziert nach Geschlecht zeigt sich, dass junge Männer im Alter von 15-24 Jahren (mit 14,3%) eine höhere FABA-Quote aufweisen als junge Frauen (11%) in diesem Alter. Auf die regionale Verteilung bezogen wird deutlich, dass das Problemausmaß in den Städten stärker ausgeprägt ist als in ländlichen Regionen. Nicht nur in Wien, auch in anderen Bundesländern konzentriert sich ein höherer FABA-Anteil auf urbane Gebiete. Sieht man sich hingegen die FABA-Quoten von Jugendlichen mit Migrationshintergrund an, findet man ein umgekehrtes Bild vor. Die Chance auf eine Bildungsintegration von jungen Frauen und Männern, welche in einem Drittstaat geboren wurden, ist in Städten deutlich höher. [8]
Deutliche regionale Unterschiede bei der Betrachtung nach Geburtsland
Sieht man sich nun die FABA-Quoten differenziert nach Geburtsland der Jugendlichen an wird deutlich, dass insbesondere in ländlichen Regionen der Anteil an frühen BildungsabbrecherInnen, welche in Drittstaaten geboren wurden, stark ansteigt. Einzelne Regionen in Österreich liegen bedeutend über dem österreichischen Schnitt – beläuft sich die FABA-Quote für in Österreich geborene Jugendliche auf 9,2%, liegt die Quote der in Drittstaaten geborenen Jugendlichen bei 37,7%. Einzelne Regionen in Österreich, unter anderem Urfahr-Umgebung (OÖ), Deutschlandsberg (ST), Schärding (OÖ) oder Völkermarkt (KTN) liegen 25%-Punkte (und mehr) über dem österreichischen Mittel des Anteils an FABA mit Migrationshintergrund. [8]
Diese Ergebnisse verweisen deutlich darauf, dass die Bildungsintegrationschancen für Jugendliche, die in Drittstaaten geboren wurden, in Städten wesentlich besser ausgeprägt sind. Trotz dieser Erkenntnis verweisen Steiner, Juen und Köpping (2019) darauf, dass die Chancen für die Integration in Beschäftigungsverhältnisse am Land besser sind, auch wenn die Qualifikation von ArbeitnehmerInnen niedriger ist [8].
Land vs. Stadt
Ist es für junge Erwachsene nur besser in der Stadt oder am Land zu wohnen? Wo stehen die Chancen für einen (Aus-)Bildungsabschluss besser? Diese Fragen können im Kontext der alleinigen Betrachtung des FABA-Anteils nicht abschließend beantwortet werden, da unterschiedliche Mechanismen auf den (Aus-)Bildungsabschluss einwirken. Sowohl das Leben in der Stadt als auch am Land kann sich positiv und/oder negativ auf den Anteil von frühen AusbildungsabbrecherInnen auswirken.
Sind städtische Regionen oft durch die Anonymität geprägt, spielt das „man kennt sich“ am Land eine bedeutende Rolle – ist man einmal am Land integriert scheint das „Untertauchen“ als unmögliches Unterfangen. Neben dieser Beobachtung konnten die AutorInnen feststellen, dass eine höhere Arbeitslosigkeit, ein höherer Anteil von MitgrantInnen sowie eine höhere Zahl an Sonderschulklassen den Anteil an frühen BildungsabbrecherInnen in den Bezirken erhöht. Demgegenüber sinkt der Anteil an FABA, wenn viele Betriebe in niedrigqualifizierten Branchen, im Bezirk, vorzufinden sind. [8]
Erstmals veröffentlicht wurde dieser Beitrag am 15.10.2020 unter kommunal.at.
Literatur
[1] AMS (2020): Arbeitsmarktdaten und Arbeitsmarktforschung. Arbeitsmarktdaten im Kontext von Bildungsabschlüssen. (https://www.ams.at/arbeitsmarktdaten-und-medien/arbeitsmarkt-daten-und-arbeitsmarkt-forschung/berichte-und-auswertungen#auswertungen, Stand: 07.10.2020)
[2] Pichler, P.; Schmidt-Dengler, P.; Zulehner, C. (2020): Von Kurzarbeit und Kündigungen sind sozial schwächere Personen am meisten betroffen: Die Arbeitssituation der Österreicher*innen seit der Corona-Krise. (https://viecer.univie.ac.at/corona-blog/corona-blog-beitraege/blog09/, Stand: 07.10.2020)
[3] Von der Europäischen Kommission wurde ein dreigliedriges Konzept zu „Prävention“, „Intervention“ und „Kompensation“ entwickelt. Dieses Konzept liefert wichtige Impulse für die Mitgliedstaaten, um die Wirksamkeit und Effektivität der umgesetzten Maßnahmen überprüfen zu können. European Commission (2013): Reducing early school leaving: Key messages and policy support. (https://ec.europa.eu/education/sites/education/files/early-school-leaving-group2013-report_en.pdf, Stand: 13.10.2020)
[4] Eurostat (2020): Europe 2020 headline indicators. (https://ec.europa.eu/eurostat/statistics-explained/index.php?title=Europe_2020_headline_indicators#The_Europe_2020_strategy, Stand: 09.10.2020)
[5] APflG Ausbildungspflichtgesetz (2016): Bundesgesetz, mit dem die Verpflichtung zu Bildung oder Ausbildung für Jugendliche geregelt wird. BGBl. I 62/2016. (https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=20009604, Stand: 24.09.2020)
[6] BundesKOST (o. J.): AusBildung bis 18. (https://www.bundeskost.at, Stand: 08.10.2020)
[7] Eurostat (2020): Data Browser. Frühzeitige Schul- und Ausbildungsabgänger nach Geschlecht. (https://ec.europa.eu/eurostat/databrowser/view/t2020_40/default/table?lang=de, Stand: 08.10.2020)
[8] Steiner, M.; Juen, I.; Köpping, M. (2019): Regionale Unterschiede beim frühen Bildungsabbruch in Österreich. Als Beispiel von Ursachen und Wirkungsmechanismen von Inklusion und Exklusion von benachteiligten Jugendlichen. In: Steiner, M., Pessl, G., Leitner, A., Davoine, T., Forstner, S., Juen, I., Köpping, M., Sticker, A., Litschel, V., Löffler, R., & Petranovitsch, A. (2019). AusBildung bis 18. Wissenschaftliche Begleitung der Implementierung und Umsetzungs des Ausbildungspflichtgesetzes. Institut für Höhere Studien (IHS). Wien. S. 289-328. (https://irihs.ihs.ac.at/id/eprint/5174/, Stand: 08.10.2020)